Krankheit des Arbeitnehmers
Die Krankheit des Arbeitnehmers hat im Arbeitsverhältnis mehrfache Bedeutung. Soweit die Krankheit zur Arbeitsunfähigkeit führt, hat der Arbeitnehmer Anspruch auf Entgeltfortzahlung in Höhe von 100% bis zur Dauer von sechs Wochen nach Maßgabe der gesetzlichen Bestimmungen. Der Anspruch auf Entgeltfortzahlung entsteht, wenn das Arbeitsverhältnis vier Wochen ununterbrochen bestanden hat. Ob in dieser Zeit tatsächlich gearbeitet wurde, ist nicht relevant.
Krankheit ist eine körperliche oder geistige Beeinträchtigung, die eine Heilbehandlung erforderlich macht und/oder zu einer Arbeitsunfähigkeit führt. Arbeitsunfähig ist ein Arbeitnehmer, wenn er die vertraglich vereinbarte Arbeitsleistung als Folge der Krankheit nicht mehr zumutbar erbringen kann. Die Krankheit muss die alleinige Ursache sein, d. h. ist der Arbeitnehmer bereits aus anderen Gründen, wie z. B. einem Erziehungsurlaub, an der Tätigkeit gehindert, so besteht kein Entgeltfortzahlungsanspruch.
Jede auf einer neuen Krankheit beruhende Arbeitsunfähigkeit begründet grundsätzlich auch einen neuen Anspruch auf Entgeltfortzahlung durch den Arbeitgeber von sechs Wochen.
Tritt während einer bestehenden Arbeitsunfähigkeit allerdings eine weitere neue Krankheit auf, so verlängert sich die Bezugsdauer von insgesamt sechs Wochen ab Beginn der ersten Erkrankung nicht.
Wird der Arbeitnehmer wegen derselben Krankheit mehrfach arbeitsunfähig geschrieben (sog. Fortsetzungserkrankung), besteht ein Entgeltfortzahlungsanspruch grundsätzlich nur für insgesamt sechs Wochen, außer wenn die letzte Arbeitsunfähigkeit mindestens 6 Monate zurückliegt oder aber seit Beginn der ersten Erkrankung 12 Monate vergangen sind. Bei der Beurteilung, ob eine Fortsetzungserkrankung vorliegt, kommt es darauf an, ob sich dasselbe Grundleiden wieder verwirklicht hat.
Der Anspruch auf Entgeltfortzahlung besteht zudem nur, wenn die Arbeitsunfähigkeit infolge Krankheit ohne Verschulden des Arbeitnehmers eingetreten ist. Eigenes Verschulden liegt vor, wenn dem betroffenen Arbeitnehmer ein gröblicher Verstoß gegen das von einem vernünftigen Menschen im eigenen Interesse zu erwartende Verhalten vorgeworfen werden kann. Unachtsamkeit (leichte oder normale Fahrlässigkeit) reicht nicht aus.
Beispiele für Verschulden sind:
• Trunkenheit im Straßenverkehr
• drastische Missachtung von Unfallverhütungsvorschriften
• selbst provozierte Handgemenge
• besonders gefährliche (Neben-)Tätigkeiten
Für den Zeitraum der Entgeltfortzahlung hat der Arbeitnehmer in der Regel Anspruch auf das Arbeitsentgelt, welches ihm bei der für ihn maßgebenden regelmäßigen Arbeitszeit zusteht.
Es finden Berücksichtigung:
• effektiv gezahlte Grundvergütung
• regelmäßige Zulagen
• vermögenswirksame Leistungen
• mutmaßliche Provisionen
• die allg. Lohnentwicklung.
Nicht berücksichtigt werden danach Überstundenvergütungen, also Grundvergütungen oder Zuschläge für über die betriebliche Arbeitszeit hinaus gehende Arbeitsstunden.
Regelmäßigkeit liegt vor, wenn die Vergütungen in den letzten 3 Monaten mit einer gewissen Stetigkeit angefallen sind.
Wird ein Arbeitnehmer infolge seiner Krankheit arbeitsunfähig, so hat er dem Arbeitgeber die Arbeitsunfähigkeit und deren voraussichtliche Dauer unverzüglich mitzuteilen. Unverzügliche Mitteilung bedeutet am ersten Tag der Erkrankung zu Arbeitsbeginn bzw. in den ersten Arbeitsstunden und noch vor einem evtl. Arztbesuch. Dauert die Arbeitsunfähigkeit länger als drei Kalendertage, so hat der Arbeitnehmer eine ärztliche Bescheinigung über das Bestehen der Arbeitsunfähigkeit sowie deren voraussichtliche Dauer spätestens am vierten Tag der Arbeitsunfähigkeit vorzulegen. Allerdings kann der Arbeitgeber eine ärztliche Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung unter Umständen zu einem früheren Zeitpunkt – sogar bereits am ersten Tag der Arbeitsunfähigkeit - verlangen. Dies gilt insbesondere bei einer entsprechenden vertraglichen Vereinbarung. Der Arbeitnehmer muss eine neue Bescheinigung vorlegen, wenn die Arbeitsunfähigkeit länger andauert, als in der ärztlichen Bescheinigung zunächst vorgesehen. Verletzt ein Arbeitnehmer trotz vorheriger Abmahnung wiederholt seine Anzeigepflicht, kann dies eine ordentliche Kündigung rechtfertigen. Der Entgeltfortzahlungsanspruch wird durch eine solche Pflichtverletzung nicht beeinträchtigt.
Änderungen aufgrund des Bürokratieentlastungsgesetzes und der Digitalisierung des “gelben Scheins”
Seit dem 1. Januar 2023 müssen gesetzlich versicherte Arbeitnehmer nach § 5 Abs. 1a EFZG grds. keinen "gelben Schein" mehr bei ihrem Arbeitgeber einreichen. Die Arbeitsunfähigkeitsdaten übermittelt vielmehr der Arzt elektronisch an die Krankenkasse. Aus den Daten wird eine Arbeitsunfähigkeitsmeldung generiert. Diese kann der Arbeitgeber dann automatisiert bei der zuständigen Krankenkasse abrufen. Es bestehen jedoch Ausnahmen, z. B. für privat krankenversicherte, für im Ausland festgestellte Arbeitsunfähigkeit, für Eltern – die sich um ein erkranktes Kind kümmern müssen, bei Wiedereingliederung, bei einem Beschäftigungsverbot, bei Rehabilitationsleistungen und bei geringfügig Beschäftigten in Privathaushalten. Unabhängig davon bleibt die Pflicht, dem Arbeitgeber die Arbeitsunfähigkeit und deren voraussichtliche Dauer unverzüglich mitzuteilen, weiterhin bestehen.
Eine umfangreiche Verfahrensbeschreibung, die auch Arbeitgeber beim laufenden Betrieb unterstützen soll, finden Sie auf den Seiten des GKV-Spitzenverbands.
Bei Zweifeln an der tatsächlichen Arbeitsunfähigkeit kann sich der Arbeitgeber über die Krankenkasse des Arbeitnehmers an die medizinischen Dienste der Krankenkassen wenden und die Begutachtung des Arbeitnehmers verlangen. Zweifel an der Arbeitsunfähigkeit bestehen besonders, wenn der Arbeitnehmer auffallend häufig oder besonders oft nur für kurze Dauer arbeitsunfähig ist oder der Beginn der Arbeitsunfähigkeit regelmäßig auf einen Arbeitstag am Beginn oder Ende der Woche fällt.
Kann der Arbeitgeber seine Zweifel beweisen, so darf er die Entgeltfortzahlung verweigern, z. B. bei einer Nebentätigkeit, welche die Genesung verzögert. Ebenso, wenn der Arbeitnehmer sich weigert, seinen Sozialversicherungsausweis zu hinterlegen.
Wird eine Arbeitsunfähigkeit vorgetäuscht, verstößt der erkrankte Arbeitnehmer gegen seine Pflicht zu gesundheits- und heilungsförderndem Verhalten oder besteht ein begründeter Verdacht, dass eine Arbeitsunfähigkeit vorgetäuscht werden sollte, so reicht dies unter Umständen als Kündigungsgrund des Arbeitgebers aus.
Maximilian Siegl
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