Abrechnung elektronischer Dienstleistungen (Rechtslage ab 1. Juli 2021)
Die umsatzsteuerliche Beurteilung von elektronischen Dienstleistungen ist komplex. Eine Vereinfachung bei der Abrechnung an Privatkunden bietet ein besonderes Besteuerungsverfahren - der One Stop Shop.
Der E-Commerce boomt. Längst erbringen auch kleine Unternehmen ausschließlich Umsätze im elektronischen Geschäftsverkehr. Die Umsatzbesteuerung elektronischer Dienstleistungen sowie Telekommunikations-, Rundfunk- und Fernsehdienstleistungen birgt allerdings einige Fallstricke.
Für die Bestimmung des Leistungsortes ist es wichtig danach zu differenzieren, ob es sich bei den Kunden um Privatkunden oder Unternehmenskunden handelt und ob sich ihr Sitz im Inland, EU-Ausland oder im Drittland befindet. Werden elektronische Dienstleistungen an Privatkunden mit Wohnsitz in der EU erbracht, gibt es besondere Besteuerungsverfahren, um eine Registrierungspflicht im Ausland zu vermeiden (siehe dazu weiter unten Ziffer 3.1.).
Elektronische Dienstleistungen sind Leistungen, die über das Internet oder ein elektronisches Netz erbracht werden. Sie sind im Wesentlichen automatisiert und erfordern nur minimale menschliche Beteiligung. Es handelt sich insbesondere um folgende Leistungen:
- Bereitstellung von Websites, Webhosting, Fernwartung von Programmen und Ausrüstungen.
- Bereitstellung von Software und deren Aktualisierung
- Bereitstellung von Bildern, wie die Gewährung des Zugangs zu oder das Herunterladen von Desktop-Gestaltungen oder von Fotos, Bildern und Bildschirmschonern
- Bereitstellung von Texten und Informationen. Hierzu gehören z.B. E-Books und andere elektronische Publikationen, Abonnements von Online-Zeitungen und Online-Zeitschriften
- Bereitstellung von Datenbanken, wie die Benutzung von Suchmaschinen und Internetverzeichnissen einschließlich der Sammlung und Bereitstellung von Mitgliederprofilen
- Bereitstellung von Musik (z.B. die Gewährung des Zugangs zu oder das Herunterladen von Musik auf PC, Mobiltelefone usw.)
- Bereitstellung von Filmen und Spielen, einschließlich Glücksspielen und Lotterien
- Erbringung von Fernunterrichtsleistungen. Hierzu gehört z.B. der automatisierte Unterricht, der auf das Internet oder ähnliche elektronische Netze angewiesen ist, auch sog. virtuelle Klassenzimmer. Dazu gehören auch Arbeitsunterlagen, die vom Schüler online bearbeitet und anschließend ohne menschliches Eingreifen automatisch korrigiert werden.
Bei Unternehmenskunden gilt schon seit 2010 der Grundsatz, dass sonstige Leistungen im Ansässigkeitsstaat des Leistungsempfängers steuerbar sind.
Hat der Kunde seinen Sitz in Deutschland unterliegen die Umsätze somit der deutschen Besteuerung.
Liegt der Unternehmenssitz im Ausland, ist der ausländische Sitzort des Kunden Ort der Besteuerung. In der EU gilt generell das Reverse Charge Verfahren. Das heißt der leistende Unternehmer stellt keine deutsche Mehrwertsteuer in Rechnung. Der Leistungsempfänger im Bestimmungsland ist Steuerschuldner. Nähere Informationen dazu enthält unser Artikel Abrechnung von Dienstleistungen ins Ausland
Befindet sich der Unternehmenssitz des Kunden im Drittland gilt ebenfalls, dass keine deutsche Umsatzsteuer in Rechnung gestellt wird. Das EU-Reverse Charge Verfahren ist nicht anwendbar. Es empfiehlt sich im Voraus eine Prüfung der Besteuerung nach lokalem Recht des Sitzlandes durchzuführen. Die jeweilige Auslandshandelskammer kann gegebenenfalls erste Hinweise geben.
Werden elektronische Dienstleistungen an Privatkunden erbracht, gilt seit 1. Januar 2015 ebenso wie bei Unternehmenskunden das Bestimmungsortprinzip. Das heißt elektronische Dienstleistungen an Nichtunternehmer sind seither nicht mehr im Sitzstaat des Dienstleisters der Umsatzsteuer zu unterwerfen, sondern im Sitzstaat des Kunden.
Erbringen deutsche Unternehmer elektronische Dienstleistungen an Privatpersonen mit Wohnsitz im EU-Ausland, muss die Umsatzsteuer des jeweiligen Bestimmungslandes in Rechnung gestellt werden. Um zu vermeiden, dass sich der betroffene Dienstleister in jedem Mitgliedstaat, in dem er Dienstleistungen für seine Kunden erbringt, umsatzsteuerlich registrieren und die Umsatzsteuer abführen muss, wurde ein vereinfachtes Deklarationsverfahren eingeführt, die sogenannte „kleine einzige Anlaufstelle“ (KEA oder MOSS = Mini-One-Stop-Shop). Mit dem Jahressteuergesetz 2020 hat der Gesetzgeber den MOSS erweitert zum One-Stop-Shop (OSS). Im OSS sind ab dem 1. Juli 2021 nicht nur Umsätze aus elektronischen Dienstleistungen an Nichtunternehmer zu melden, sondern auch solche aus den Fernverkäufen.
Vorteile des OSS
Der OSS erlaubt es Unternehmen, die diese Dienstleistungen an Nichtunternehmer in anderen Mitgliedstaaten erbringen, ihren umsatzsteuerlichen Pflichten in dem Land nachkommen zu können, in dem sie ansässig sind. In der Praxis bedeutet die Regelung, dass beispielsweise ein deutscher IT-Dienstleister die ausländische Umsatzsteuer im Rahmen seiner Voranmeldung gegenüber dem Bundeszentralamt für Steuern deklarieren und abführen kann. Die Nutzung des OSS ist für den Unternehmer freiwillig. Wenn er sich hierfür entscheidet, muss er dies allerdings einheitlich für alle Mitgliedstaaten tun, in denen er keinen Sitz oder Betriebsstätte hat.
Wichtig: Bagatellregelung
Soweit die Umsätze aus elektronischen Dienstleistungen die Schwelle von 10.000 € im Jahr nicht überschreiten, sind die Dienstleistungen am Sitzort des leistenden Unternehmers zu versteuern. Sobald in einem Kalenderjahr der Schwellenwert von 10.000 € überschritten wird, richtet sich der Leistungsort wieder nach dem Wohnsitz des (privaten) Leistungsempfängers (Bestimmungslandprinzip).
Achtung: in diese Geringfügigkeitsschwelle werden auch die Umsätze aus ggf. getätigten Fernverkäufe an Nichtsteuerpflichtige im übrigen Gemeinschaftsgebiet einbezogen. Die Unternehmer können jederzeit auf die Anwendung der Vereinfachungsregelung verzichten und für die Anwendung des OSS-Verfahrens optieren. Die Option bedarf keiner besonderen Form. Sie bindet den Unternehmer für zwei Jahre und kann danach widerrufen werden.
Pflichten im OSS
Fristgerechte Abgabe der Steuererklärung
Unternehmer, die das besondere Besteuerungsverfahren in Anspruch nehmen, müssen im OSS auf elektronischem Wege für jedes Quartal eine Umsatzsteuererklärung beim zuständigen Bundeszentralamt für Steuern (BZSt) einreichen – unabhängig davon, ob sie in dem betreffenden Quartal tatsächlich Telekommunikations-, Rundfunk- und Fernsehdienstleistungen oder elektronische Dienstleistungen erbracht haben. Wenn in dem Quartal keine entsprechenden Leistungen in der EU erbracht worden sind, wird eine sogenannte „Null-Erklärung“ abgegeben. Die über den OSS eingereichte Umsatzsteuererklärung (mit der entsprechenden Zahlung) ist innerhalb von 20 Tagen nach Ablauf des Erklärungszeitraums abzugeben. Die Steuererklärungen werden dann zusammen mit der entrichteten Umsatzsteuer an die entsprechenden Mitgliedstaaten des Verbrauchs übermittelt.
Fristgerechte Zahlung der angemeldeten Steuer
Die im Verfahren One-Stop-Shop erklärten Steuerbeträge müssen so rechtzeitig überwiesen werden, dass die Zahlung bis zum Ende des Monats, der auf den Ablauf des Besteuerungszeitraums (Kalendervierteljahr) folgt, bei der zuständigen Bundeskasse eingegangen ist.
Informationen der EU-Kommission und des Bundeszentralamtes für Steuern
Um die Unternehmen im Umgang mit den veränderten umsatzsteuerlichen Vorschriften für Telekommunikations-, Rundfunk- und Fernsehdienstleistungen sowie elektronisch erbrachte Dienstleistungen zu unterstützen, hat die EU-Kommission ausführliche Informationen auf Ihrer Homepage veröffentlicht.
Auch das Bundeszentralamt für Steuern informiert auf seiner Homepage über Registrierung und zum Verfahren.
Das Vorgängerverfahren Mini-One-Stop-Shop konnte von registrierten Unternehmern für Umsätze genutzt werden, die bis zum 30. Juni 2021 erbracht wurden. Eine erneute Registrierung dieser Unternehmer für die Sonderregelung One-Stop-Shop, EU-Regelung ist nicht erforderlich.
Erbringt der Unternehmer elektronische Dienstleistungen an Privatkunden im Drittland, gilt auch hier das Bestimmungsortprinzip. Weder das OSS-Verfahren noch das europäische Reverse Charge Verfahren sind anwendbar. Es empfiehlt sich im Voraus eine Prüfung der Besteuerung nach lokalem Recht des Sitzlandes durchzuführen. Die jeweilige Auslandshandelskammer kann gegebenenfalls erste Hinweise geben.
Sophie Riegler
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Sascha Cavalieri
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