Das FEG 2.0 kompakt erklärt
Das neue Fachkräfteeinwanderungsgesetz tritt seit November 2023 in drei Schritten in Kraft. Wir erläutern Ihnen die Neuerungen im Detail und zeigen, worauf Sie bei der Fachkräftegewinnung aus dem Ausland achten müssen.
Qualifikationssäule
Als Fachkraft gilt, wer einen im Herkunftsland staatlich anerkannten mindestens zweijährigen Hochschul- oder Berufsabschluss hat. Der Abschluss muss in Deutschland als gleichwertig anerkannt werden. Die Fachkraft kann damit ab November 2023 jede qualifizierte Tätigkeit ausüben. Sprachkenntnisse werden nicht verlangt. Bei Vorliegen aller Voraussetzungen besteht ein Anspruch auf Erteilung einer Aufenthaltsgenehmigung.
Hat eine Fachkraft bei erstmaliger Erteilung einer Aufenthaltsgenehmigung das 45. Lebensjahr vollendet, muss das Gehalt mindestens 55% der jährlichen Beitragsbemessungsgrenze in der Rentenversicherung betragen (2023: rund 48.000 Euro). Die Aufenthaltsgenehmigung wird für die Dauer des Arbeitsvertrages zzgl. drei Monate (max. vier Jahre) erteilt.
Hochschulabsolventen aus Drittstaaten können die Blaue Karte EU erhalten, wenn sie einen Arbeitsvertrag oder eine verbindliche Stellenzusage haben (diese muss ihrer Qualifikation angemessen sein). Hier gilt ab November 2023 ein Mindestgehalt von 45,3% der jährlichen Beitragsbemessungsgrenze in der Rentenversicherung (im Jahr 2023: rund 40.000 Euro) für Engpassberufe und Berufsanfängerinnen sowie 50% (im Jahr 2023: rund 43.800 Euro) für alle anderen Berufe. Die Liste der Engpassberufe wird erweitert. IT-Fachkräfte können ohne anerkannten Abschluss die Blaue Karte erhalten, sofern sie über drei Jahre einschlägige Berufserfahrung verfügen. Für sie gilt ebenfalls die niedrigere Mindestgehaltsschwelle für Engpassberufe.
Ein tertiärer Bildungsabschluss mit mindestens drei Jahren Ausbildungsdauer (Stufe 6 des Europäischen Qualifikationsrahmens, z. B. Bachelor oder Meister) berechtigt ebenfalls zum Erhalt einer Blauen Karte.
Erteilt wird die Blaue Karte für eine Dauer von vier Jahren oder, wenn kürzer, die Dauer des Arbeitsvertrages (mindestens sechs Monate) plus drei Monate. Aus Staaten, mit denen Visafreiheit besteht, kann die Fachkraft ohne Visum einreisen und die Blaue Karte bei der zuständigen Ausländerbehörde beantragen.
Inhaber einer Blauen Karte , die ein anderer EU-Mitgliedstaat ausgestellt hat, können für eine geschäftliche Tätigkeit nach Deutschland einreisen: Für einen Aufenthalt bis max. 90 Tage ist weder ein Visum noch eine Arbeitserlaubnis der BA erforderlich. Nach einem Mindestaufenthalt von zwölf Monaten mit der Blauen Karte in einem anderen EU-Staat ist der langfristige Umzug nach Deutschland ohne Visum möglich. Eine deutsche Blaue Karte muss nach der Einreise bei der Ausländerbehörde beantragt werden.
Ab März 2024 können Fachkräfte zur Anerkennung ihrer ausländischen Berufsqualifikation (Anerkennungspartnerschaft) einreisen. Voraussetzung ist, dass ihr Abschluss im Herkunftsland anerkannt wird und die Ausbildung mindestens zwei Jahre gedauert hat. Sie müssen außerdem über hinreichende deutsche Sprachkenntnisse (A2-Niveau) verfügen. Sie dürfen für die Dauer des Verfahrens eine Beschäftigung von bis zu 20 Stunden pro Woche als Fachkraft ausüben.
Bei teilweiser Gleichwertigkeit ihrer Berufsqualifikation können Fachkräfte eine Aufenthaltsgenehmigung für eine Dauer von 24 Monaten für Qualifizierungs-/Anpassungsmaßnahmen erhalten (Verlängerung bis max. 36 Monate). Einen Qualifizierungsplan müssen sie erst nach Einreise erstellen. Sie müssen über hinreichende Sprachkenntnisse (A2) verfügen und dürfen eine Nebenbeschäftigung von 20 Stunden pro Woche ausüben.
Ebenfalls ab März 2024 wird die Einreise zur Durchführung einer Qualifikationsanalyse möglich sein. Erforderlich sind hierfür hinreichende Deutschkenntnisse (A2). Erteilt wird das Visum für bis zu sechs Monate. Wenn die zuständige Stelle notwendige Qualifizierungsmaßnahmen feststellt, kann eine entsprechende Aufenthaltsgenehmigung (ggf. mit begleitender qualifizierter Beschäftigung) erteilt werden.
Erfahrungssäule
Seit März 2024 können Fachkräfte mit einem mindestens zweijährigen im Herkunftsland anerkannten Hochschul- oder Berufsabschluss sowie mindestens zwei Jahren Berufserfahrung (die in Verbindung mit der angestrebten Tätigkeit stehen muss) ohne Anerkennung des Abschlusses einreisen und eine Aufenthaltserlaubnis erhalten, sofern es sich um nicht-reglementierte Berufe handelt. Das Mindestgehalt beträgt im Regelfall 45,3% der jährlichen Beitragsbemessungsgrenze in der Rentenversicherung (im Jahr 2023: 39.682,80 Euro). Ausnahmen gelten bei tarifgebundenen Arbeitgebern. Eine Ausnahme gilt wiederum für IT-Berufe. Für diese ist weiterhin kein formaler Abschluss notwendig. Es gilt ebenfalls das Mindestgehalt von 45,3%.
Potentialsäule
Ab Juni 2024 wird es möglich sein, auch ohne konkretes Jobangebot einzureisen und ein Visum zur Arbeitssuche zu erhalten. Hierfür wird für zwölf bis maximal 24 Monate eine so genannte Chancenkarte erteilt, die für vorhandene Qualifikationen, Deutsch- und Englischkenntnisse, Berufserfahrung, Deutschlandbezug, Alter und Potential der Ehepartner Punkte vergibt. Möglich sind sowohl eine zweiwöchige Probebeschäftigung als auch eine Nebenbeschäftigung von 20 Stunden pro Woche.
Weitere Regelungen
Westbalkanregelung
Die ursprünglich bis Ende 2023 befristete Westbalkanregelung, nach der Staatsangehörige aus Albanien, Bosnien und Herzegowina, Kosovo, Montenegro, Nordmazedonien und Serbien für jede Art von Beschäftigung in nicht-reglementierten Berufen eine Arbeitserlaubnis erhalten, wird entfristet und das Kontingent ab Juni 2024 auf jährlich 50.000 Erlaubnisse erhöht.
Berufskraftfahrer
Die Zustimmungserteilung der Bundesagentur für Arbeit für die Beschäftigung von Berufskraftfahrern aus Drittstaaten wird ab November 2023 vereinfacht. Es wird grundsätzlich nicht mehr geprüft, ob die erforderliche EU- bzw. EWR-Fahrerlaubnis und die Grundqualifikation oder beschleunigte Grundqualifikation vorhanden sind. Das muss der Arbeitgeber übernehmen. Zudem wird die Vorrangprüfung gestrichen und es werden keine Sprachkenntnisse mehr vorausgesetzt.
Studierende und Auszubildende
Beschäftigungsmöglichkeiten für Studierende (einschließlich studienvorbereitender Maßnahmen) und die Möglichkeit zur Nebenbeschäftigung von Auszubildenden werden ab März 2024 ausgeweitet. Studierende ebenso wie Auszubildende können künftig eine Nebenbeschäftigung von bis zu 20 Stunden pro Woche ausüben.
Eine Nebenbeschäftigung von bis zu 20 Stunden pro Woche ist auch bei Aufenthalten zur Ausbildungs- und Studienplatzsuche möglich. Für die Visumserteilung sind mindestens gute Sprachkenntnisse (B2) erforderlich.
Für die Erteilung eines Visums zur Ausbildungsaufnahme entfällt die Vorrangprüfung. Nachgewiesen werden müssen ausreichende Sprachkenntnisse (B1).
Sonstige Visa- und aufenthaltsrechtliche Bestimmungen
Der Familiennachzug bei Inhabern der Blauen Karte EU wird erleichtert. Familienangehörige können ab November 2023 mit dem Aufenthaltstitel des Inhabers einreisen, ohne selbst ein Visumsverfahren durchlaufen zu müssen. Es wird außerdem auf die Prüfung des Wohnraumerfordernisses und der Lebensunterhaltssicherung verzichtet. Letztere Regel gilt ab März 2024 auch für alle anderen Fachkräfte.
Eine Niederlassungserlaubnis kann ab März 2024 bereits nach drei Jahren Voraufenthalt erteilt werden, für Inhaber einer Blauen Karte schon nach 27 Monaten oder bei Vorhandensein von ausreichenden Deutschkenntnissen (B1) nach 21 Monaten.
Erteilte Einreise-Visa zur Aufnahme einer Beschäftigung gelten künftig für zwölf Monate, d. h. Fachkräfte müssen ihre Aufenthaltsgenehmigung nicht mehr unmittelbar nach Einreise beantragen.
Grundsätzlich gibt es die Möglichkeit, den Aufenthaltszweck vor Ort (in Deutschland) zu ändern (z.B. von einem touristischen in einen Arbeitsaufenthalt). In bestimmten Fällen kann bei Vorliegen besonderer Umstände auch auf die (nachträgliche) Einholung eines Visums verzichtet werden, wenn sich eine Person bereits im Land befindet.
Lisa Abiatar
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