Gesetzgebung
Neue Gesetze entstehen laufend, und viele Gesetzgebungsverfahren betreffen auch die Wirtschaft. Die IHK bringt hier die Position der regionalen Unternehmen ein.
Die IHK Niederbayern ist dabei kein Einzelkämpfer, sondern ist eingebunden in das Netzwerk der 79 IHKs bundesweit, des Bayerischen Industrie- und Handelskammertags (BIHK) sowie des Deutschen Industrie- und Handelskammertags (DIHK) als Dachorganisation in Berlin und Brüssel. Dadurch findet die Stimme der regionalen Wirtschaft Eingang in Gesetzgebungsverfahren auf Landes-, Bundes- und EU-Ebene. Im Zuge einer “Verbändeanhörung” kann dieser Einfluss in einem formellen Verfahren ebenso wahrgenommen werden, wie etwa durch die direkte Ansprache der beteiligten Parteien oder Abgeordneten.
Eine Übersicht zu den anstehenden Gesetzgebungsverfahren finden Sie hier:
EU-Kommission legt Omnibus-Entwurf zur Nachhaltigkeitsberichterstattung und Lieferkette vor
Die EU-Kommission hat am 26. Februar 2025 einen sog. Omnibus-Entwurf (I) zur Änderung der Nachhaltigkeitsberichterstattungsrichtlinie (CSRD) und der Lieferkettenrichtlinie (CSDDD) vorgelegt. Ebenfalls umfasst ist eine Änderung der Verordnung (EU) 2023/956 zum Grenzausgleichsmechanimus (CBAM). In einem sog. Omnibus-Entwurf II werden Änderungen u. a. der Invest EU-Verordnung 2021/523 vorgeschlagen.
Omnibus I und Omnibus II
Die vorgeschlagenen Omnibus-Pakete umfassen:
- Vorschlag (COM (2025) 80), der die Anwendung der Berichtspflichten in der Corporate Sustainability Reporting Directive (CSRD) für Unternehmen, die in den Jahren 2026 und 2027 Bericht erstatten müssen (sogenannte Unternehmen der „Welle“ 2 und 3), aufschiebt und die Umsetzungsfrist um ein Jahr sowie die erste Anwendungswelle der Corporate Sustainability Due Diligence Directive (CSDDD) auf Juli 2028 verschiebt.
- Vorschlag für eine Richtlinie zur Änderung einzelner Vorschriften in der CSRD und der CSDDD (COM (2025) 81).
- Entwurf eines delegierten Rechtsakts zur Änderung der Taxonomie-Offenlegungsvorschriften und der delegierten Rechtsakte zur Taxonomie für Klima und Umwelt, der Gegenstand einer öffentlichen Konsultation ist (Ares(2025)1546172).
- Vorschlag für eine Verordnung zur Änderung der Verordnung über den CO2-Grenzausgleichsmechanismus (Carbon Border Adjustment Mechanism/CBAM (COM (2025) 87)).
- Vorschlag für eine Verordnung zur Änderung der Invest EU-Verordnung 2021/523, der Verordnung 2015/1017 für den Europäischen Fonds für strategische Investitionen, der Verordnung (EU) 2021/1153 „Connecting Europe“ und der Verordnung (EU) 2021/695 Horizon Europe
(Omnibus II).
Zudem stellt die Kommission ergänzende Erläuterungen (Commission staff working documents) zur Verfügung sowie weitere Informationen in Form von FAQ: Q&A 'Omnibus' package
2. Vorgeschlagene Änderungen für CSRD und ESRS
- Teilweise Verschiebung des Anwendungszeitpunkts: Die Anwendung der CSRD wird im Vorschlag COM (2025) 80 für die großen Kapitalgesellschaften und ihnen gleichgestellte haftungsbeschränkte Personenhandelsgesellschaften um zwei Jahre verschoben – auf 2027, d. h. für Geschäftsjahre, die am oder nach dem 1. Januar 2027 beginnen. Kleine und mittlere kapitalmarktorientierte Unternehmen müssen die CSRD erst für Geschäftsjahre, die am oder nach dem 1. Januar 2028 beginnen, anwenden. Für die Unternehmen, die laut CSRD bereits in 2025 über das Geschäftsjahr 2024 berichten müssen, soll es vorerst keine Aussetzung der CSRD geben (in Deutschland ist die CSRD noch nicht in nationales Recht umgesetzt worden).
- Der Anwendungsbereich der CSRD (vgl. COM (2025) 81) in Art. 19a wird verändert: Es sollen (nur) große Unternehmen mit mehr als 1.000 Mitarbeitern erfasst werden. Als großes Unternehmen soll weiterhin die Definition in Art. 3 Abs. 4 der Richtlinie 2013/34/EU gelten: Unternehmen, die zwei der drei Größenmerkmale überschreiten – Nettoumsatz von 50 Millionen Euro, Bilanzsumme 25 Millionen Euro, 250 Mitarbeiter. Die Schwellenwerte für Bilanzsumme und/oder Nettoumsatz sollen anscheinend nicht angehoben werden. Das Größenkriterium soll unabhängig von der Kapitalmarktorientierung gelten. D. h. kleine und mittlere kapitalmarktorientierte Unternehmen sollen künftig nicht mehr vom Anwendungsbereich der verpflichtenden Nachhaltigkeitsberichterstattung erfasst sein. Folglich werden in Art. 5 der Richtlinie 2022/2464 in Absatz 1, 1. Unterabsatz Punkt a) und c) aufgehoben. Auch für Kreditinstitute und Versicherungsunternehmen wird der Anwendungsbereich, vgl. Art. 1 Abs. 3 und 4 Richtlinie 2013/34/EU, geändert. Art. 29a ändert auch den Anwendungsbereich für die konsolidierte Nachhaltigkeitsberichterstattung. Art. 40a schlägt Änderungen für von der Nachhaltigkeitsberichterstattung erfasste Drittstaatenunternehmen vor. Laut EU-Kommission würde sich durch die Änderungen des Anwendungsbereichs die Zahl der von dem Gesetz betroffenen Unternehmen in Europa von 50.000 auf etwa 10.000 verringern.
- Es sollen keine weiteren sektorspezifischen Nachhaltigkeitsberichterstattungsstandards von der EU-Kommission erlassen werden, Art. 29b
Abs. 1, 3. und 4. Unterabsatz sollen aufgehoben werden. - Es soll auch keinen Listed SME-Standard (LSME) geben, Art. 29c soll aufgehoben werden.
- Die europäischen Nachhaltigkeitsberichterstattungsstandards (ESRS) sollen zeitnah überarbeitet und erheblich reduziert werden. Es sollen die Datenpunkte gestrichen werden, die für die allgemeine Nachhaltigkeitsberichterstattung als am wenigsten relevant erachtet werden, ohne dabei die Interoperabilität mit globalen Berichterstattungsstandards zu gefährden. Die Überarbeitung soll außerdem unklare Begriffe klären. Sie soll versuchen, die Kohärenz mit anderen EU-Rechtsvorschriften zu verbessern, wo Änderungen der ESRS das am besten geeignete Mittel sind, um dieses Ziel zu erreichen. Es soll klarere Anweisungen zur (doppelten) Wesentlichkeitsanalyse geben, um sicherzustellen, dass die Unternehmen nur wesentliche Informationen berichten und keine übermäßigen Ressourcen für die Wesentlichkeitsanalyse aufwenden. Ein Entwurf zur Änderung der ESRS liegt noch nicht vor.
- Rolle des freiwilligen KMU-Standards (Voluntary SME-Standard/VSME)
Die EU-Kommission schlägt allen Unternehmen, die künftig nicht vom Anwendungsbereich der CSRD erfasst sein sollen, vor, freiwillig zu berichten. Hierzu kann der VSME dienen, den sie in einem delegierten Rechtsakt formal verabschieden will. Unklar ist, ob hierbei die von EFRAG entwickelte und Ende Dezember 2024 an die Kommission übermittelte Version des VSME gemeint ist. Ggf. werden an diesem Stand des VSME noch Änderungen vorgenommen. Der VSME wird als Obergrenze/Value Chain Cap für die Wertschöpfungskette dienen, um den Trickle-Down-Effekt zu vermindern und soll daher in Art. 29b Abs. 4 erster Unterabsatz (an Stelle des bisherigen LSME) eingefügt werden. Unternehmen, die den VSME als Obergrenze für die Wertschöpfungskette einhalten, sollen als konform mit den Verpflichtungen zur Meldung von Informationen zur Wertschöpfungskette im Rahmen des ersten Satzes der ESRS gelten. Das Cap soll aber nicht für „additional sustainability information that is commonly shared between undertakings in the sector concerned” gelten. Auch der “due diligence process” ist vom Cap ausgenommen.
In den Erläuterungen (Seite 4) wird angekündigt, dass die Kommission den VSME zunächst als Empfehlung veröffentlichen will, bevor er als delegierter Rechtsakt erlassen wird. - Elektronisches Berichtsformat
Art. 29d bezieht sich weiterhin in der englischen Sprachfassung auf „prepare“. Eine Klarstellung, ob damit die Aufstellung oder Offenlegung des Lageberichts gemeint ist, gibt es nicht. Ergänzt wurde im Entwurf, dass die Auszeichnung („mark up“) der Inhalte des Nachhaltigkeitsberichts erst dann erfolgen muss, wenn die entsprechenden Regelungen erlassen sind. Die Organe sollen nach Art. 33, letzter Unterabsatz, nicht sicherstellen müssen, dass das elektronische Format des Lageberichts und die Auszeichnung des Nachhaltigkeitsberichts eingehalten werden. - Taxonomie-Angaben
Ein neuer Art. 19b soll große Unternehmen mit durchschnittlich mehr als 1.000 Mitarbeitern und einem Nettoumsatz unter 450 Mio. EUR ermöglichen, flexibler über die Angaben nach Art. 8 Taxonomie-Verordnung zu berichten (sog. „opt-in“). Für die Konzernebene ist in Art. 29aa eine ähnliche Regelung vorgesehen. Vgl. dazu auch unten unter Ziffer 4. - Prüfung des Nachhaltigkeitsberichts
Der Entwurf verlangt in Art. 26a Abs. 3 der Richtlinie 2006/43/EG eine „limited assurance“, d. h. begrenzte Prüfungssicherheit der Nachhaltigkeitsberichterstattung. Der bisher vorgesehene Übergang zu einer „reasonable assurance“ soll gestrichen werden. Die Kommission soll nicht mehr verpflichtet sein, bis zu einem bestimmten Zeitpunkt Prüfungsstandards für die begrenzte Prüfsicherheit zu erlassen. Sie plant stattdessen in 2026 Leitlinien für die Prüfung zu veröffentlichen.
3. Vorgeschlagene Änderungen für CSDDD
Folgende Änderungen werden hinsichtlich der Richtlinie 2024/1760 (Corporate Sustainability Due Diligence Directive – CSDDD) vorgeschlagen:
- Die in Artikel 13 vorgesehene Einbeziehung von Stakeholdern in Due Diligence-Aktivitäten wird begrenzt und der Stakeholder-Begriff in Artikel 3 enger gefasst.
- Die in Artikel 4 vorgesehene Vollharmonisierung bei einigen Artikeln über Sorgfaltspflichten wird ausgeweitet.
- Sorgfaltspflichten sollen in der Regel auf die eigenen Tätigkeiten des Unternehmens, die seiner Tochtergesellschaften und die seiner direkten Geschäftspartner (Tier 1) beschränkt werden. Indirekte Geschäftspartner sollen – ähnlich wie beim LkSG – erst in die Sorgfaltspflichten einbezogen werden müssen, wenn „plausible Informationen“ über Risiken oder Verstöße vorliegen (Änderung Artikel 8 ff.).
- Informationen, die Unternehmen im Anwendungsbereich von ihren KMU-Geschäftspartnern mit weniger als 500 Mitarbeitern einfordern können, sollen sich am freiwilligen VSME-Standard (CSRD) orientieren, aber Abweichungen bleiben möglich (Artikel 8 Abs. 5 neu).
- Die Anforderung, Geschäftsbeziehungen als Ultima Ratio beenden zu müssen, wurde gestrichen. Hingegen sollen Unternehmen unter bestimmten Umständen ihre Geschäftsbeziehungen nicht ausbauen (Änderung Artikel 10 Absatz 6 und Artikel 11 Absatz 7).
- Unternehmen müssen ihre Due-Diligence-Aktivitäten nicht mehr jährlich, sondern nur noch alle fünf Jahre bewerten – vorausgesetzt in der Zwischenzeit ist keine wesentliche Änderung eingetreten (Änderung Artikel 15).
- Die Kommission soll die in Artikel 19 aufgezählten Leitlinien für Unternehmen und Mitgliedstaaten früher veröffentlichen.
- Angleichung von Artikel 22 an die CSRD: Unternehmen müssen einen Plan zur Minderung der Folgen des Klimawandels verabschieden und „Umsetzungsmaßnahmen durchführen“.
- Sanktionen: Das Höchstmaß für Zwangsgelder (5% des weltweiten Nettoumsatzes) und die Orientierung von Zwangsgeldern am Nettoumsatz von Unternehmen wurde gestrichen. Stattdessen sollen die Kommission und Mitgliedstaaten Leitlinien für die Aufsichtsbehörden entwickeln (Änderung Artikel 27).
- Die spezifische, unionsweite Haftungsregelung wurde aus Artikel 29 zur zivilrechtlichen Haftung gestrichen. Verwiesen wird stattdessen auf nationale Rechtsvorschriften. Die Festlegung, ob die eigenen zivilrechtlichen Haftungsbestimmungen Vorrang vor den ansonsten geltenden Vorschriften des Drittlandes haben, in dem der Schaden eingetreten ist, wird dem nationalen Recht überlassen.
- Die Überprüfungsklausel über die Einbeziehung von Finanzdienstleistungen in den Geltungsbereich der CSDDD wurde gestrichen.
- Die Umsetzungsfrist für die Mitgliedstaaten soll um ein Jahr auf Juli 2027 verschoben werden.
- Unternehmen mit mehr als 3.000 Mitarbeitern und mehr als 900 Mio. Euro weltweitem Nettoumsatz sollen die neuen Regelungen ab Juli 2028 anwenden. Unternehmen mit mehr als 1.000 Mitarbeitern und mehr als 450 Mio. Euro weitweitem Nettoumsatz sollen ab Juli 2029 in den Anwendungsbereich fallen.
4. Vorgeschlagene Änderungen für die Taxonomie-Verordnung
Die Omnibus-Entwürfe sollen die Taxonomie-Verordnung selbst nicht ändern. Da Artikel 8 Taxonomie-Verordnung auf den Anwendungsbereich von Artikel 19a der EU-Rechnungslegungsrichtlinie 2013/34/EU verweist, soll sich auch hier die Schwelle auf Unternehmen mit mehr als 1.000 Mitarbeitern erhöhen. In einem neuen Artikel 19b der EU-Rechnungslegungsrichtlinie können Unternehmen mit einem Nettoumsatz von bis zu 450 Millionen Euro den Umfang ihrer ökologisch nachhaltigen Wirtschaftstätigkeiten optional berichten. In diesem Fall sind auch Angaben zu Betriebsausgaben (OpEx) freiwillig. Zudem können Angaben zur teilweisen Erfüllung von Taxonomie-Kriterien gemacht werden. Dies soll den Unternehmen mehr Flexibilität einräumen. Zu Umfang und Form dieser Offenlegung muss die Kommission delegierte Rechtsakte erlassen. (Anmerkung: nachträgliche Korrektur des Absatzes)
Parallel zum Omnibus-Paket konsultiert die Kommission Änderungen an den drei delegierten Rechtsakten zur Taxonomie-Verordnung: zur Offenlegung (Disclosure Delegated Act) und zu den technischen Bewertungskriterien der sogenannten Klima- und Umwelt-Taxo (Climate Delegated Act und Environment Delegated Act). Darin wird eine Wesentlichkeitsschwelle von unter 10% der kumulativen Werte von Aktivitäten vorgeschlagen. Zudem sollen die Berichtsvorlagen vereinfacht werden, so dass statt 78 nur noch 27 Datenpunkte berichtet werden müssten. In der Klima- und Umwelt-Taxo sollen insbesondere die Anlagen C zu den DSNH durch vereinfachte Listen ersetzt werden. Die Bewertung der Verwendung besorgniserregender Stoffe soll sich nur noch auf harmonisiert eingestufte Stoffe beziehen.
Rückmeldungen zu den Taxonomie-Verordnungen nimmt die Kommission bis zum 26. März 2025 entgegen. Zur Konsultation gelangen Sie hier: Link.
Ebenfalls am 26. Februar 2025 wurde zudem ein Entwurf für einen sog. Clean Industrial Deal veröffentlicht (Link zur IHK-Welt).
Auf Basis unserer Vorschläge zum Omnibus-Verfahren vom 6. Februar 2025 (Link) planen wir eine Stellungnahme zu dem Entwurf der EU-Kommission. Die IHK-Organisation bittet um Ihre darüber hinaus gehenden Anmerkungen zum Entwurf bis zum 21. März 2025 an erich.doblinger@passau.ihk.de.
Weitere Informationen
Thomas Graupe
KontaktTelefon: 0851 507-333
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