Wirtschaftliche Stärke Europas neu zur Geltung bringen

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Vor der Europawahl im Juni hat die IHK Unternehmen aller Branchen nach ihrer Haltung zur Europäischen Union sowie nach ihren Erwartungen für die neue Wahlperiode gefragt. Die Befragungsergebnisse aus der niederbayerischen Wirtschaft liegen dabei ganz auf Linie der Bundesergebnisse. Thomas Leebmann, Präsident der IHK Niederbayern, fasst sie zusammen.

„Die niederbayerischen Betriebe brauchen und schätzen die EU. Die politische Stabilität, die gemeinsame Währung oder den einheitlich geregelten Wirtschaftsraum mit offenem Zugang zu den europäischen Märkten setzen die Unternehmen auf die Positivliste. Aber sie haben auch deutliche Kritikpunkte und damit Forderungen an ein neues Europaparlament und eine neue EU-Kommission.“

EU als Wirtschaftsstandort weniger attraktiv

In der Umfrage schlage sich das nieder, erläutert der IHK-Präsident: „Für deutlich über die Hälfte der Betriebe hat sich die Attraktivität der EU als Wirtschaftsstandort in den vergangenen fünf Jahren verschlechtert. In der für die Wirtschaft in Niederbayern so wichtigen Industrie sehen das sogar rund zwei Drittel so – das ist ein alarmierender Wert und damit ein Auftrag an die EU-Wirtschaftspolitik.“

90 Prozent fordern Abbau der EU-Bürokratie

Um die Wettbewerbsfähigkeit der EU zu verbessern, ist für eine überwältigende Mehrheit von 90 Prozent der Betriebe der Bürokratieabbau der erste und wichtigste Schritt. Die Unternehmen sprechen in der Umfrage viele Punkte an: komplizierte Zulassungs- und Genehmigungsverfahren, zahlreiche Berichtspflichten, europäische Richtlinien und Verordnungen zu Nachhaltigkeit, Lieferketten oder Datenschutz und nicht zuletzt die umfangreichen Regulierungen im Zuge des „Green Deals“. „Das selbstgesteckte Ziel des Bürokratieabbaus haben die EU-Institutionen in den vergangenen fünf Jahren verpasst – im Gegenteil, es wurde noch mehr Bürokratie aufgebaut. In den Unternehmen bindet das Zeit, Geld und Personal. Dabei stünden gerade auf EU-Ebene viele Hebel zur Verfügung, um eine spürbare Entlastung zu erreichen“, kritisiert IHK-Präsident Leebmann. Besonders die kleinen und mittleren Unternehmen (KMU) verzweifelten zusehends an der EU-Bürokratie. Die IHK-Organisation wolle daher einen „KMU-Test“ für künftige Gesetzesvorhaben auf EU-Ebene. „Was wir fordern, ist ein Bürokratie-Kassensturz: eine Bereinigung der bestehenden Regeln und gleichzeitig bei neuen Gesetzen mehr Bewusstsein für deren Auswirkungen in der Wirtschaft“, sagt Leebmann.

Standortnachteil Energieversorgung

Mit rund zwei Dritteln setzen die befragten Betriebe an Platz zwei der Aufgaben für die kommende EU-Politik die Energieversorgung – neben der Bürokratiebelastung liegt Leebmann zufolge hier ein weiterer Standortnachteil: „Im internationalen Vergleich haben Europa und gerade Deutschland die höchsten Energiepreise. Eine sichere und bezahlbare Energieversorgung ist aber nicht nur für die Industrie ein entscheidender Faktor. Pläne der EU-Kommission wie etwa eine Aufteilung Deutschlands in unterschiedliche Strompreiszonen laufen dem zuwider, während gleichzeitig der europaweit koordinierte Ausbau der Versorgungsnetze nicht in die Gänge kommt. Insgesamt ist daher auch in der europäischen Energiepolitik ein Praxis-Check dringend notwendig.“

EU als Basis für erfolgreiches Wirtschaften – Europawahl als Weichenstellung

Angesichts dieser Kritikpunkte aus der Wirtschaft sieht der IHK-Präsident die kommende Europawahl als besonders wichtig an:

„Mit der Wahl werden die Weichen gestellt, um die wirtschaftspolitischen Herausforderungen in der EU anzugehen und letztlich zu bewältigen. Wir haben mit der Europäischen Union eigentlich eine hervorragende Basis für erfolgreiches Wirtschaften – unsere Unternehmen benötigen aber auch die Freiheit, diese Stärke zum Einsatz zu bringen.“

Artikelnr: 232964