Der Arbeitskräftemangel steigt – und kostet Milliarden

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Der Arbeits- und Fachkräftemangel ist bereits jetzt einer der größten Risikofaktoren für die regionale Wirtschaft. In den kommenden Jahren wird sich die Problematik aber noch weiter verschärfen.

So fehlen in den niederbayerischen Unternehmen der gewerblichen Wirtschaft aktuell bereits 15.000 Arbeitskräfte, diese Lücke wird sich bis zum Jahr 2027 auf 18.500 Kräfte vergrößern – ein Zuwachs von 23 Prozent innerhalb von nur drei Jahren. Das sind zentrale Ergebnisse des IHK-Arbeitsmarktradars, einer Untersuchung des Instituts der deutschen Wirtschaft (IW) im Auftrag der bayerischen Industrie- und Handelskammern zum Fachkräftebedarf der Zukunft. Die regionalen Ergebnisse für den IHK-Bezirk Niederbayern liegen nun vor.

Vor allem Fachkräfte aus der beruflichen Ausbildung fehlen

„Der Arbeitskräftemangel ist längst ein Dauerbrenner in der Wirtschaft. Gerade in Niederbayern bekommt dieses Problem aber eine besondere Dynamik, hier reißt die Lücke noch schneller auf als im bayerischen Durchschnitt“, berichtet Alexander Schreiner, Hauptgeschäftsführer der IHK Niederbayern, aus dem Arbeitsmarktradar. Was sich hingegen nicht ändert: Der größte Mangel betrifft Fachkräfte aus der beruflichen Ausbildung. Der Anteil dieser Gruppe am Arbeitskräfteengpass in Niederbayern liegt über die Jahre bei jeweils über 60 Prozent. Auch „Spezialisten“, wie zum Beispiel Meister, Fachwirte oder Bachelorabsolventen, oder „Experten“ mit akademischer Ausbildung fehlen auf dem niederbayerischen Arbeitsmarkt der Zukunft – allerdings in geringerem Maße. Wie weit der zukünftige Fachkräftebedarf und das nachwachsende Angebot auf dem Arbeitsmarkt auseinanderliegen, zeigt sich beispielsweise an den zu erwartenden Beschäftigungszahlen. „Ausgerechnet bei den Fachkräften mit Berufsausbildung steigen die Zahlen bis 2027 nur unterdurchschnittlich an. Obwohl hier die größte Lücke und damit das größte Potenzial besteht, nimmt der Anteil dieser Gruppe an allen Beschäftigten sogar ab. Wir brauchen aber deutlich mehr junge Menschen in der Berufsausbildung als an den Hochschulen, denn das entspricht dem Bedarf in der Wirtschaft“, verdeutlicht der IHK-Hauptgeschäftsführer.

Studie: Bis 2027 gehen in Niederbayern fast zwei Milliarden Euro an Wertschöpfung verloren

Die Folgen des steigenden Arbeitskräftemangels werden in Zukunft immer stärker spürbar – von mehr Schließtagen, etwa in der Gastronomie oder im Handel, über längere Wartezeiten bei Dienstleistungsunternehmen bis hin zu Produktionsrückgängen in der Industrie. Auf welche Zahlen sich diese Einbußen aufsummieren, hat das IW für den Arbeitsmarktradar ebenfalls untersucht. Im Jahr 2027 gehen demnach in Niederbayern fast zwei Milliarden Euro an Wertschöpfung verloren, allein aufgrund der Arbeitskräftelücke. Schreiner geht darauf ein, was aus Sicht der Wirtschaft dieser Entwicklung entgegengesetzt werden muss: „Es sind die bekannten Forderungen: eine schnellere und einfachere Zuwanderung von Fachkräften, bessere Strukturen für mehr Beschäftigung von Frauen und Älteren, die Aktivierung von Langzeitarbeitslosen sowie lohnsteuerliche Anpassungen, damit sich Arbeit länger und besser lohnt.“ Ein „Weiter so“ reiche dabei aber keineswegs aus, sagt Schreiner, denn das Szenario, das der IW-Studie zugrunde liegt, berücksichtige bereits einen Beschäftigungszuwachs durch all diese Faktoren. Trotzdem klaffen Angebot und Nachfrage immer weiter auseinander, allein schon aufgrund der demografischen Entwicklung. „Wir brauchen also nicht nur mehr, sondern vor allem effektivere Instrumente, um alle Potenziale für den Arbeitsmarkt auszuschöpfen“, betont Schreiner.

Forderungen an die Politik: Bessere Rahmenbedingungen, weniger Bürokratie, verlässliche Entscheidungen und schnelle Umsetzung

Die IHK selbst setze hier längst an: mit Kampagnen, Aufklärung und Berufsorientierung bei Schülern, Eltern, Lehrern oder auch Studienzweiflern, mit eigenen Aus- und Fortbildungsberatern für die niederbayerischen Betriebe, mit Personalnetzwerken, Messeauftritten, Fortbildungsangeboten oder gezielter Information zur beruflichen Aus- und Weiterbildung. Von der Politik fordere die Wirtschaft aber mehr: „Bessere Rahmenbedingungen, weniger Bürokratie, verlässliche Entscheidungen und schnelle Umsetzung“, zählt Schreiner auf und nennt als konkretes Beispiel die neue „Chancenkarte“, mit der Fachkräfte aus dem Ausland auf dem deutschen Arbeitsmarkt Tritt fassen sollen. „Die Chancenkarte wird von der Politik bereits als großer Erfolg verkauft, und sicherlich ist sie ein Schritt in die richtige Richtung. In der Umsetzung werden dabei aber wieder aufwändige Verfahren aufgesetzt, die für Unsicherheit, lange Wartezeiten und noch mehr Bürokratie sorgen. Damit retten wir unseren Arbeitsmarkt nicht. Statt komplexer Detailsteuerung durch die Politik sollte mehr Verantwortung bei den Unternehmen liegen – die wissen am besten, welche Kräfte sie brauchen und was sie für deren Integration in den Arbeitsmarkt leisten können“, bekräftigt der IHK-Hauptgeschäftsführer.

Bayernweite und regionalspezifische Zahlen zum Arbeitsmarktradar finden Sie hier.

Artikelnr: 241212

Dr. Josef Schosser

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